Peter Härtling beschreibt in seinem Roman Waiblingers Augen (1990) die ständische und zugleich kosmopolitische Denkweise Waiblingers. Sein Streben nach Autonomie und Individualität findet seine Grenzen in bürgerlichen Absprachen, in den Ritualen der Sicherheit, die er als lebensfeindlich und seiner Vitalität entgegengesetzt empfindet. Ein allgemeiner Ordnungsbegriff existiert für ihn nicht. Um einen Platz in der konkreten Wirklichkeit seiner Zeit zu finden, um seine Identität zu konstituieren, wendet er sich gegen die affirmative Biedermeierkultur, um durch die Poesie sich und die gegenwärtige Welt zu vergessen und verändert zu mir kommen zu können.
Doch wer war Wilhelm Waiblinger (* 21. November 1804 in Heilbronn, Herzogtum Württemberg; † 17. Januar 1830 in Rom, Kirchenstaat, heute Italien)? Er selbst beantwortet drei Jahre vor seinem Tod diese Frage in Form eines Gedichtes Ans Grab der Scipionen wie folgt:
»Darum, o Wanderer, komm in dies Grab herein,
Nur nimm den kleinen Kummer nicht mit. Das ziemt
Dir nicht. (…)
Sage, was gräbt in den Sarg man dir ein?«
Dieser Wortlaut ziert seinen ganz persönlichen Eingang zum Musenbordell. Dahinter finden sich Szenen seines wilden, kurzen Lebens, das er als 26 Jähriger in den Armen seiner italienischen Geliebten Nena Carlenzo aushaucht.
Und jene Nena hat nun die Aufgabe, die Frage Sage, was gräbt in den Sarg man dir ein? vor den Augen einer überschaubaren Menge an Trauernden zu beantworten. Dabei helfen ihr Lebende in der Rolle von Geistern, die im Leben Waiblingers, freiwillig oder gewollt, eine wichtige Rolle zu spielen hatten...